Die Straße der weißen Schnecken

Eine kurze Geschichte. Oder Notizen mit Blitzgedanken.

Vorab sei angemerkt, dass nachfolgend zwei Textzeilen öfter erscheinen werden. Die eine ist “Hey Ho Silver”. Die andere ” I don´t care what you say anymore – this my life!” Eine Textzeile aus Billy Joels Song “My life”. Habt es einfach im Hinterkopf.

Geht los.

Ich fahre mit Rad zu meinem Termin, der in Oberkassel stattfindet. Zwischen der Abzweigung Uni und der Fleher Brücke, wo es auf den Hammer Deich geht, führt der Weg durch ein kleines Waldstück mit geteertem Untergrund. Es ist schwül, es ist leicht nebelig und einige Nacktschnecken kreuzen meinen Weg. Ich achte fast mehr darauf, keine Schnecke mitzunehmen als darauf, wer mir so entgegen kommt.
Blitzgedanke: wie blöd, wenn man die Farbe der Straße hat und so langsam voran kommt. Wer schaut schon nach unten. Leben am Limit. Wow!

Dann sehe ich die erste ihrer Art … weiß und riesig und mit einem spektakulär schick gedrehten cremebräunlichen Schneckenhaus. Ausweichmanöver. Geglückt. Krass. Die hat sich doch mal Gedanken gemacht. So groß und weiß wird man bestimmt nicht so schnell überfahren auf dieser dunklen Straße.
Blitzgedanke: ich würde mir auch was überlegen, wenn meine Kollegen so schlimm stülpig mit heraus hängenden Innereien ständig rechts und links meines Weges rum liegen würden. Brrrr. Da muss doch der schneckige Überlebenswille greifen.  

Die nächste weiße Schnecke und die Nächste. Sie kreuzen natürlich. Was ein ständiger Überlebenskampf sein muss. In beide Richtungen, versteht sich ja von selbst. Bremsen, ausweichen, fahren, bremsen. Puh. Aber immerhin keine überfahren. Platsch … ok. Eine. Aber das war eine Nacktschnecke. Selbst Schuld.

Ich biege ein auf den Hammer Deich und ich kann nur noch denken: “Die Straße der weißen Schnecken”.
Blitzgedanke: Geile Überschrift für ein Buch

Die Straße der weißen Schnecken. Wow … da steckt Potenzial drin. Da muss ein Autor erst ma HIN kommen. Ich meine, was für eine Symbolkraft in den Worten steckt.  (Ich biege auf den Deich – Hey Ho, Silver!). Für diesen Buchtitel gibt es so viele Interpretationsmöglichkeiten. Die Farbe Weiß als Inbegriff der Reinheit und Schönheit. Das Wort Straße als Symbol des bodenständigen Normalos und Wegstrecke in reinster Form. Und erst die Schnecke. Langsamkeit, Entschleunigung, Wahnsinn – das eigene Haus auf dem Rücken tragend, während stoisch blickende Trikot-Rennradfahrer in die Pedale treten und sie nicht eines Blickes würdigen. Das sollte man analysieren. Oder auf eine andere Ebene heben. Der Pfad der weißen Schnecken? Die weißen Schnecken sind müde? Was will die Schnecke mir sagen? ( ” I don´t care what you say anymore – this my life!”. Billy haut in die Kopftasten). Während ich also darüber nachdenke, wem ich diesen Buchtitel schmackhaft machen könnte – Psychokrimi … Gesundheitstipp … Coaching … Spam-Mail-Vorlage – bemerke ich, dass ich gar kein Foto von meinen weißen Kumpels gemacht habe. Mist.
Blitzgedanke: hoffentlich leben die auf dem Rückweg noch.

Wie immer ereilen mich solche Gedanken, wenn ich ohne Notizblock unterwegs bin. Aber was hätte ich auch machen sollen? Unter die Brücke stellen und anfangen zu schreiben? Warum nicht. Die Brückenarbeiter hätten nicht schlecht gestaunt.

Ich biege in den zweiten Abschnitt des Hammer Deichs ein. Hey Ho, Silver! 

Die weißen Schnecken werden nun kurzer Hand in eine Hirnschublade gepackt, wo sie gefälligst jetzt kurz warten müssen. Ich erfreue mich gerade sehr daran, die einzige Fahrradfahrerin auf dem Deich zu sein. Vereinzelte Läufer und Walker aber wirklich nicht der Rede wert. ” I don´t care what you say anymore – this my life!”. Outside is free! Vor allem mit E-Bike. Lauf, Forrest, lauf! Manchmal bin ich schon recht geschlagen mit den Kinofilmzitaten aber naja … ich kenne es nicht anders. “Ich will nie wieder hungern!” oder “Einen Gott – DAS kann ich verstehen. Aber EINE Frau? DAS ist eines Mannes nicht würdig!” oder “Wenn ich nicht Braut wäre würde es keinen Abschied geben zwischen uns!”. Ich schweife ab. Passiert mir oft. Muss auch keiner verstehen. Lasst mich einfach. Hier jetzt ein Smile-Emojie.

Den Rest der Strecke genieße ich einfach und beschließe einen Blogartikel draus zu machen. Egal, ob den jemand versteht oder nicht. Ist ja mein Blog. Nicht wahr, Kirsten?

Auf dem Rückweg plästert es wie aus Eimern. Ich habe mir meine zeltartige Regenhose und den Regenmantel übergezogen und sause den Weg zurück. Macht voll Spaß. Und hey – meine weißen Kumpels haben es fast alle geschafft. Als ich zwei Prachtexemplare sichte, stelle ich das Fahrrad ab und begebe mich auf ihr Höhenlevel, um ein angemessenes Porträt hin zu bekommen. Geht doch. Ich muss allerdings feststellen, dass Erschütterungen zu sofortigem Rückzug ins Häuschen führen. Was eine längere Zeit am Boden nach sich zieht. Zwei Fahrradfahrer sausen an mir vorbei und ich bilde mir ein, ein leichtes Kopfschütteln zu bemerken. Mir doch egal. ( ” I don´t care what you say anymore – this my life!”) Am liebsten hätte ich hinterher gerufen: Hey, das sind meine weißen Kumpels! Pass bloss auf, wo du hin fährst! Hihi.

Den Rest des Weges verbringe ich damit, nicht zu vergessen, diesen Blogartikel zu schreiben. Done. Und achtet demnächst mal auf die weißen Schnecken. Ich weiß ja, dass sie ein bisschen schleimen aber das heißt ja nicht, dass sie gern überfahren werden.

 

2 Gedanken zu „Die Straße der weißen Schnecken“

  1. Das mittlere.
    Und ja….sehr gut geschrieben. Ich wünschte, mir würden auch wieder feine Texte einfallen.

Kommentare sind geschlossen.

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